H. W. Hundstorfer

Ein Glasgestalter von hohem technischen Vermögen, viel Phantasie und Mut.

Als Galerist - und da vor allem als Glasgalerist und Glassammler - verfolge ich seit fast 20 Jahren das vielfältige Gestalten und Experimentieren von H. W. Hundstorfer mit dem Werkstoff Glas. Kein Zweifel, er hat sich diesem Material voll verschrieben. Im zähen Ringen mit diesem so faszinierenden, aber genauso alles formenden Werkstoff besteht sein wesentlicher Lebensinhalt.

Er ist einer jener Glasgestalter, die diesem Material, das so vollkommen ausgereizt erscheint, immer wieder neue Formen und Licht- und Farbspiele abgewinnen. Er spielt mit dem Material, geht an seine physikalischen Grenzen und drückt sein Lebensgefühl im Formen dieses Materials aus. Er arbeitet als Artist ohne Netz, es kann und darf auch einmal danebengehen. Daraus lernt er nur seine Grenzen einschätzen, ohne entmutigt zu werden.

Im Gegenteil: Im Grenzbereich handwerklicher Möglichkeiten und physikalisch/chemischer Gesetzmäßigkeiten fühlt er sich erst richtig wohl und diese Grenzen immer wieder ein wenig zu versetzen, reizt ihn.

Wie wären z. B. seine muschelartigen, manchmal an fremdartige Orchideenblüten erinnernde Glasskulpturen möglich geworden, hätte er da aufgehört, wo es sicherlich technisch sehr schwierig wurde. Er bleibt neugierig, seine Entdeckerlust und Experimentierfreude sind jung wie vor 20 Jahren und sein "Sichtreibenlassen" im Prozeß des Formens ist schöpferisches Gestalten. Man erinnert sich an einen berühmten Ausspruch Erwin Eisch's: "Aus glühender, stumpfer Masse müssen Dinge werden, die schön sind und eine Sprache haben. Atem muss sein und schöpferisches Fabulieren." Hätte Hundstorfer nicht immer noch eine große Freude am einmaligen Schöpfungsprozess, er wäre gemessen an all seinen bisherigen Werken, auch ein einfallsreicher und vielseitiger Designer. Aber genau daran ist er nicht interessiert, jede Wiederholung langweilt ihn. Er weiß zu genau, daß jede schablonenmäßige Planung seine Werke ihres Eigenlebens berauben würde. Manchmal würde man sich in seinem eigenem Interesse wünschen, dass er länger bei einer Idee verharrt und sie ausbaut, also auch merkantil nutzt. Aber das reizt ihn nicht. Den meisten Werken Hundstorfers sieht man an, daß er Glas gewissermaßen fließend formt, d. h. er vermeidet jede Vergewaltigung des Glasstromes. An einem muschelartigen Glasobjekt in meiner Sammlung sieht man besonders schön, welche formale Vollendung er oft erreicht.

Aber auch welch souveräner Umgang mit der Farbe! Dunkles Grün, leuchtendes Blau und ein Kontrapunkt in Orange. Form und Farbe in seltenem Zweiklang. Es entstehen Gebilde, die eine hohe ästhetische Qualität haben. Schön auch, dass Hundstorfer jedes Hineininterpretieren in sein Glas ablehnt. Liest man heute oft Kritiken über Glasmacher, dann hat man den Eindruck, daß ganze philosophische Welten für ein relativ belangloses Objekt herhalten müssen. Bedeutungsschwer muss da alles sein, unendlich viele Hintergedanken werden da aufgespürt und der Kritiker will sich eigentlich nur durch seine bedeutungsschweren Ergüsse auf Kosten des Künstlers profilieren.

Bei vielen Objekten vergisst man die Technik, die Schwierigkeit ihrer Entstehung, denn sie haben eine schwebende Leichtigkeit, haben sich gelöst vom technischen "Know-how" das hier "nur" noch Voraussetzung war. Es gibt Vasen, die scheinbar eine Glasbewegung im schönsten Moment des Fließens erstarren lassen. Seine vielen Variationen geometrischer Figuren, wie Pyramiden, Kegel und Kugel, faszinieren und haben in seinen Glas-Diskus-Objekten einen handwerklichen und ästhetischen Höhepunkt erreicht. Man hat den Eindruck märchenhafter, facettenreich schillernder Glasblüten, wie sie aber doch nie in der Natur vorkommen. Auch solche Einfälle, ja Erfindungen, schlachtet Hundstorfer nie aus, geht nie damit in eine serienartige Produktion. Sobald er einen Weg mit vollendeten Stücken als gangbar gezeigt hat, wechselt er bereits wieder das Thema, ist neugierig, was noch alles aus dem Werkstoff Glas herauszuholen ist. Interessant auch seine neuen, z. T. sandgestrahlten Figuren. Teils formal streng, reduziert und an die afrikanische Kunst anklingend, z. T. aber auch humorvoll, frech und witzig. Da stehen ganz im Gegensatz dazu viele seiner Vasen, die an zarte, impressionistische Landschaften erinnern. Alles löst sich in Farbstimmungen auf. Bilder wie von Herbstwäldern, die sich in einem leicht bewegten See spiegeln oder vorübergleiten und aus jedem Betrachtungswinkel anders irisierend aufleuchten! Ein fast exemplarisches Hinübergleiten vom Konkreten ins Abstrakte! Solche Gläser lassen sich nicht entwerfen oder planen, sie entstehen im dauernden Ringen mit dem Material Glas. Man muss da schon besessen sein von diesem Werkstoff, und hier erübrigt sich die Frage, ob Gestalten mit Glas "nur" Kunsthandwerk ist oder auch Kunst sein kann. Es kommt nicht auf das Material an, sondern wer mit ihm umgeht. Hundstorfer hat jenes Tor aufgestoßen, das auch Glas in die Sphäre der ernstzunehmenden Ausdrucksmittel menschlichen Empfindens einläßt. Wer Hundstorfer bei der Arbeit erleben durfte, dem wird plötzlich bewußt, wie bedeutend ein Ausspruch von Pablo Picasso ist: "Ich suche nicht, sondern ich finde, indem ich mache". Ich wünsche H. W. Hundstorfer weiterhin seine ungebrochene Freude am "MACHEN". Er hat dabei bisher viel gefunden und er wird sicher noch mehr finden.

Hans Herrmann, Galerist

DRACHSELRIED, BAYER. WALD

 

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