Wo sind wir nun, wenn wir in der Welt sind? Sloterdijk verortet Psychosphären, interpersonale Blasen, duale Räume, interfaziale Begegnungen. Nur im Verständnis der komplexen Äquilibristik unserer frühesten Raumbeziehungen werden unsere späteren Seelenlandschaften und heillosen Sümpfe nachvollziehbar. Das Subjekt endet nicht an seiner Außenhaut, sondern ist unendlich mit dieser Welt verstrickt. Liebesgeschichten sind danach Formgeschichten, menschliche Solidarisierung ist Sphärenbildung. Aber nicht nur Menschen kranken an Nähedefiziten, auch die philosophischen Verortungen der Seele leiden an Mangelerscheinungen, weil sie verschüttet haben, was zuvor Ahnungen, Visionen, Anamnesen, mithin fragile Erkenntnisgegenstände des Miteinander waren.

Sphären I ist ein philosophisch aufgerüsteter tiefenpsychologischer Rettungsversuch des Individuums aus dem unbewußten Wissen seiner Teilung und des Verlustes faszinogener Ansichten des anderen. Öffentliche Kräftefelder, Gewißheiten eines begleiteten Raums, nicht selbstverlorene Heroen einer beschnittenen Individualität sind neu zu entdecken: Urbegleiter, Genien, Engel und Erzengel -- eine existenzielle Topographie des Subjekts und seiner Begleiter entsteht, Örter, die wir vergessen hatten.

Eine abschließende Beurteilung, ob der Versuch, Möglichkeiten und Grenzen des geometrischen Sphärenhumanismus auszuloten, gelingt, wird erst im hermeneutischen Zirkel der auf drei Bände angelegten Untersuchungen möglich sein. Immerhin zeichnet sich ab, daß Sloterdijk mit dem Ehrgeiz des platonischen Geometers Seelenräume neu vermißt, die im Diskurs der Moderne chronisch unterbelichtet geblieben sind und gegenwärtig in Globalisierungskriegen, telematischem Beschleunigungsterror und ästhetizistisch-kontingenten Lifestyle-Ideologien weiter demontiert werden. Der mimetische Sprachwitz Sloterdijks gegenüber seinem Gegenstand allein ist aber bereits jetzt hinreichender Lektüregrund und verdient die Anerkennung, daß im deutschen Sprachraum zur Zeit vermutlich kein anregenderes psychophilosophisches Sprachspiel existiert