Das Verfahren ist bekannt und bewährt: Man nehme einen
Denker aus der deutschen Geistesgeschichte und schlage literarischen Profit aus
dessen Verschrobenheit. Ganz vorzüglich ist das beispielsweise Gert Hofmann mit
Georg Christoph Lichtenberg in Die kleine Stechardin gelungen. Bernhard Setzwein hat mit Nicht kalt genug
einen vorzüglichen Nietzsche-Roman vorgelegt, und Klaas Huizing
widmete sich in Das Ding an sich
auf hoch vergnügliche Weise dem Königsberger Philosophen und Kant-Vertrauten
Johann Georg Hamann. Nun versucht sich auch Daniel Kehlmann
erfolgreich an diesem Genre und porträtiert in seinem Roman gleich zwei
deutsche Geistesgrößen: Das Mathematikgenie Carl Friedrich Gauß und den
Universalgelehrten und großen Naturforscher Alexander von Humboldt. Im Zentrum
steht ein Treffen der beiden 1828 in Berlin, auf einem Naturforscherkongress,
für den Gauß nur sehr widerwillig sein Göttingen verlässt. Die zwei Großdenker
haben sich beide auf ihre eigene Weise der Vermessung der Welt gewidmet,
kommen sich aber nur zaghaft näher.
Der Roman
kann sich auf knapp 300 Seiten Leben und Werk der beiden allerdings nur
schlaglichtartig widmen, eher skizzenhaft und sehr kurzweilig erleben wir
wichtige Stationen ihres Schaffens in einer geschickten Mischung aus Fakten und
Fiktion: Humboldt auf seinen strapaziösen Exkursionen nach Südamerika, Gauß
dagegen eher zerrissen zwischen der hehren Welt der Zahlen und dem schnöden
Alltag, denn auch ein Genie hat Zahnschmerzen und muss sich mit Frau und
Kindern herumplagen. Die Komik des Romans speist sich dabei nicht nur aus den
ironisch beleuchteten Charakteren von Gauß und Humboldt, sondern auch aus der
Spannung zwischen Größe und Lächerlichkeit. Humboldts große Forschungsreise
nach Russland etwa gerät zur Farce, weil er schon zu berühmt ist: die ganze
Expedition gerät zur Massenveranstaltung mit über 100 Teilnehmern, und statt zu
Forschen verbringt Humboldt die meiste Zeit auf Empfängen.