Wer kennt es nicht, das
dramatische Schicksal und Handeln des »Faust«! Es gibt wohl kaum einen Schüler,
der ihm nicht einmal in seiner Schulzeit begegnet wäre, für den Bildungsbürger
gehört er sowieso zum Kanon. Zurecht! Denn was Johann
Wolfgang von Goethe in 60-jähriger Schaffenszeit mit dem »Faust« zuwege
gebracht hat, sucht in der deutschen Dichtung seinesgleichen, lässt sich nur
mit dem Begriff der Weltliteratur angemessen fassen und steht auf einer Ebene
mit dem »Don Quijote« oder der »Göttlichen Kommödie«.
Der Universalgelehrte Faust befindet sich in einer tiefen Krise bei seiner
Suche nach dem, »was die Welt im Innersten zusammenhält«. Eingesperrt in seine
Gelehrtenstube drängt es ihn schließlich bis nahe an den Selbstmord. Nur die
Osterglocken retten ihn. Beim berühmten Osterspaziergang wird ihm bewusst, dass
er sich nach umfassendem Weltwissen gleichermaßen wie nach irdischer Weltlust sehnt. Da er sich aber von allen irdischen
Lebenswerten abgeschnitten sieht, verflucht er das Leben. Hier nun wittert der
Teufel in Gestalt des Mephisto seine Chance und bietet Faust einen Pakt an:
Würde dieser auch nur einen Augenblick das Leben genießen und dabei verweilen
wollen, wäre Fausts Seele auf immer verloren.
Faust lässt sich auf den Handel ein und wird von Mephisto nun mit derbsten
Sinnesgenüssen überschüttet: Aber sowohl die Studentenrunde in Auerbachs Keller
als auch den Spuk in der Hexenküche erträgt Faust nur widerwillig. Erst die
Begegnung mit dem nur 14-jährigen Gretchen erweckt in Faust irdisches
Verlangen. Nun nimmt das Drama seinen Lauf ...
Bei aller Individualität des Schicksals von Faust, der uns hier in einer
Charaktertragödie entgegentritt, verweist das Stück klar über das
Einzelschicksal hinaus auf ein allgemeines Menschheitsdrama. Dies macht den
›Faust‹ zu einem zeitlosen Lese- und Theatererlebnis bis in unsere Zeit.