Immer
wieder Noam Chomsky. Seit Jahren werden die Vorlesungen und Texte, die Analysen
und Hintergründe des MIT-Professors in Bücher gepackt. Auch hierzulande. Die
Publikationen erzielen weltweit hohe Auflagen und werden viel zitiert. Das
Handelsblatt schreibt, er gehöre zu den "zehn meistzitierten Autoren aller
Zeiten". Die New York Times bezeichnet den heute 75-Jährigen als
"wichtigsten lebenden Intellektuellen". Jemand wie Chomsky hat
natürlich eine Menge zum Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft zu sagen. Auch
in seinem neuesten Buch, das Texte aus über 15 Jahren zusammenfasst. Vieles
davon ist bereits im „memory hole“ der Geschichte versickert, aber die
Grundlagen sind nach wie vor brisant. Wen es interessiert: Die Einleitung
stammt aus dem Jahr 2002, Hauptteil und Anhang sind Vorlesungen, die Chomsky im
November 1988 gehalten hat.
Richtig spannend ist
eigentlich nur der erste Teil. Chomsky entfaltet hier seine Hauptthese, die er
jedoch nur für die USA zu beweisen versucht: Die Medien sind Propaganda-Agenten
der Regierung. Sie sind Teil der engen Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft
und sorgen für die entsprechende propagandistische Unterstützung der Macht. Die
Medien sind somit eine Art Durchlauferhitzer für die Propaganda der
herrschenden Kräfte. Was wiederum eine lange Tradition in den USA hat. Schon
1916 musste eine eigens gegründete Propaganda-Agentur, die so genannte
Creel-Kommission, die friedlich gestimmte Bevölkerung in nur sechs Monaten in
eine kriegslüsterne Nation versetzen. Und wer den Aufmarsch der
Kriegspropaganda in den US-Medien vor einigen Wochen beobachtet hat, weiß,
wovon Chomsky spricht. Nämlich die Öffentlichkeit auf Ereignisse einzustimmen,
die sie eigentlich ablehnt. Denn ohne Propaganda würde kein Mensch Krieg
führen.
Hinter dieser
Propagandamaschine vermutet Chomsky deshalb auch einen eingeschränkten
Demokratiebegriff. Das Prinzip: Eine Führungsklasse von Spezialisten verordnet
den Zuschauern die richtige Meinung zur richtigen Zeit. Oder: Die Oberhirten
der Meinungshüter erklären den dummen Schafen, wo es langgeht. Dahinter stünde,
so Chomsky, ein zwingendes Moralprinzip: "Die Masse der Bevölkerung ist zu
dumm, um größere Zusammenhänge zu begreifen." Ja, man dürfe sie sogar an
den Entscheidungsprozessen nicht beteiligen, "weil sie mit dieser Freiheit
sich selbst und andere gefährden könnten".
Durch diese
Abschirmfunktion haben die Medien eine staatstragende Rolle: Sie vermitteln die
richtigen Überzeugungen und kontrollieren das Bewusstsein der Öffentlichkeit.
Die dummen Schafe "sollen vor dem Fernseher sitzen und sich die Botschaft
einhämmern lassen, es sei am wichtigsten, dieses oder jenes Produkt zu kaufen
und das Leben der reichen Mittelschichtfamilie zu führen, die einem auf dem
Bildschirm vorgeführt wird, und ansonsten möglichst harmonisch und amerikanisch
zu sein". Die Herde müsse ruhig gehalten und abgelenkt werden. Am besten
lässt sich eine solche Propaganda über große Konzernmonopole organisieren, die
im Wesentlichen identische Anschauungen vertreten. Vielfalt und
Unübersichtlichkeit stören das Propagandageschäft.
Art dargelegt.